Stellungnahme der Hochschule München Studierendenvertretung zum neuen bayerischen Hochschulgesetz, Stand 11.02.2021

1. Hochschuldemokratie

Wir fordern demokratische Teilhabe auf Augenhöhe!

Im Rahmen der Reform des Bayerischen Hochschulgesetzes hat das Staatsministerium angekündigt, die Hochschulen in eine „volle Eigenverantwortung“ zu entlassen und sich „in größtmöglichem Umfang“ aus der internen Governance der Hochschulen zurückzuziehen. Wie groß dieser Umfang ist wurde nicht näher erläutert. Jedoch ist davon auszugehen, dass insbesondere die Gremienstruktur an Hochschulen, die aktuell vom Gesetzgeber noch vorgeschrieben ist, in Zukunft flexibel und eventuell auch optional gehandhabt werden soll.

Das StuPa stellt sich mit aller Kraft gegen eine Aushöhlung oder gar Optionalisierung der Hochschuldemokratie. Die Demokratie an Hochschulen ist ein hohes Gut und Grundlage für die Selbstverwaltung an Hochschulen und somit das gesamte Hochschulwesen in Bayern. Nur wenn sichergestellt ist, dass Hochschulen ihre Entscheidungen in partizipativen und demokratischen Verfahren treffen, können diese überhaupt in staatsrechtlicher Verantwortung an sie übergeben werden. Bei allen Entscheidungen, bei denen Statusgruppen betroffen sind, müssen diese auch angemessen und stimmberechtigt beteiligt werden. Auch wir sehen Möglichkeiten, demokratische Verfahren zu flexibilisieren und den Gegebenheiten an den jeweiligen Hochschulen besser anzupassen. Diese neuen Freiheiten sind jedoch durch robuste und faire Mindestgrundsätze zu unterlegen.

1.1 Senat

Die Kernaufgaben der Wissenschaft sollen in Zukunft als Dreiklang von Forschung, Lehre und Transfer neu gefasst werden. Wir begrüßen die Erweiterung des Wissenschaftsbegriffs und fordern eine konsequente Umsetzung: Der Senat als akademisches Spitzengremium der Hochschule muss in Zukunft auch genau zum Auftrag haben, sich mit Fragen von grundsätzlicher Bedeutung für Forschung, Lehre und Transfer zu beschäftigen. Da die Gruppe der Hochschullehrenden die verfassungsrechtlichen Träger:innen der Wissenschaft darstellen, muss sie in diesen Angelegenheiten auch über eine absolute Mehrheit verfügen. Eine eventuelle Flexibilisierung des Senats in ihrer Zusammensetzung darf jedoch nicht zu einer Übermacht der sowieso schon mehrheitlich vertretenen Gruppe der Hochschullehrenden führen. Als StuPa erkennen wir die verfassungsrechtliche Notwendigkeit an und sprechen uns für einen Senat aus, in welchem Hochschullehrende als Träger:innen der Wissenschaft eine Mehrheit von einem Sitz verfügen. Die weiteren Sitze müssen fair unter den Statusgruppen der Studierenden, der wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen und der wissenschaftsunterstützenden Mitarbeiter:innen verteilt werden. Hierbei schlägt das StuPa vor, die genaue Zahl und Verteilung der Sitze flexibel in der Organisationssatzung der Hochschule zu regeln. Als gesetzlich geregelte Mindestbeteiligung soll der Senat aus sechs Vertreter:innen der Hochschullehrenden, zwei Vertreter:innen der wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen, zwei Vertreter:innen der Studierenden und einer:m Vertreter:in der wissenschaftsunterstützenden Mitarbeiter:innen bestehen.

1.2 Hochschulrat

Der Hochschulrat übt die Aufsicht über die Geschäftsführung der Hochschulleitung aus. Diese Kernaufgabe muss auch in einem zukünftigen Gesetz verbindlich festgeschrieben und mit landesweit einheitlichen Regeln an allen Hochschulen Bayerns umgesetzt werden. Insbesondere ist ein Wegfall oder eine Marginalisierung einzelner Statusgruppen zu vermeiden. Daher ist es auch in Zukunft richtig, den Hochschulrat paritätisch mit allen stimmberechtigten Mitgliedern des Senats und einer gleichen Anzahl von nichthochschulangehörigen Mitgliedern zu besetzen. Während wir die Beteiligung externer Persönlichkeiten begrüßen, so kritisieren wir die Einschränkung des Personenkreises auf die Bereiche Wissenschaft, Kunst und Wirtschaft. Hochschulen haben eine besondere Verantwortung für die Gesellschaft als Ganzes und müssen als solche auch Persönlichkeiten aus der Gesellschaft in den Hochschulrat einbeziehen. Eine solche Erweiterung des Spektrums externer Hochschulrät:innen wäre nicht zuletzt auch eine Unterstreichung des Transferansatzes im Hochschulgesetz.

1.3 Hochschulkonvent

Zukünftig sollen Hochschulen ihre interne Governance in Bezug auf Größe, Schwerpunkte und Zusammensetzung von Gremien in einer eigenen Organisationssatzung gestalten können. Als StuPa begrüßen wir die generelle Flexibilität, die hierdurch geschaffen wird, insofern diese in einem für alle Statusgruppen fairen und geordneten Gesetzesrahmen eingebettet ist. Hierzu gehört auch die Frage, wer über Änderungen der internen Governance entscheidet. Der Vorschlag des Staatsministeriums, diese Verantwortung dem Hochschulrat zu übergeben, lehnen wir ab. Als oberstes Hochschulorgan sehen wir den Hochschulrat zwar in der Zuständigkeit, Änderungen in der Hochschulorganisation zu initiieren. Die eigentliche Entscheidung und Beschließung der Organisationssatzung muss jedoch von allen hochschulinternen Statusgruppen gleichermaßen getragen und legislativ verantwortet werden. Wir fordern daher einen paritätisch besetzten Hochschulkonvent, welcher vom Hochschulrat einberufen wird, um Änderungen der Organisationssatzung zu beschließen. Dieser setzt sich zu gleichen Teilen aus Vertreter:innen der Hochschullehrenden, der wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen, der Studierenden und der wissenschaftsunterstützenden Mitarbeiter:innen zusammen. Beschlüsse zur Änderung der Organisationssatzung sollen einer Zweidrittelmehrheit bedürfen. So wird sichergestellt, dass die in diesem Gremium erarbeitete Organisationsstruktur auch von einer breiten Mehrheit derjenigen Hochschulmitglieder getragen wird, die diese Struktur letztlich mit Leben füllen sollen.

1.4 Leitungsgremien

Hochschulen sind ein Ort des konstruktiven Austauschs, des Miteinanders zum Wohle und im Auftrag der wissenschaftlichen Gemeinschaft und der Gesellschaft im Ganzen. Als solche ist die Mitwirkung innerhalb der Hochschule Recht und Pflicht aller Mitglieder. Damit dies funktioniert, ist es von höchster Bedeutung, dass die innere Struktur einer Hochschule diese Partizipation in all ihren Governance-Strukturen vorlebt und fördert. So ist es u.a. essentiell, dass die Leiter:innen einer Fakultät durch den Fakultätsrat demokratisch gewählt und somit mit einer breiten exekutiven Autorität ausgestattet werden. Dieses demokratische Prinzip muss auch im zukünftigen Gesetz, unabhängig davon, ob eine Hochschule in Fakultäten oder anderen Organisationseinheiten strukturiert ist, verbindlich festgeschrieben werden.

Um dem Auftrag von Hochschulen zur Geschlechtergerechtigkeit nachzukommen, fordern wir die Rolle von Frauenbeauftragten zu überdenken. Dieses Amt ist nach aktueller Gesetzeslage insbesondere in legislativen Organen wie dem Senat oder Fakultätsrat verankert, um die Hochschule bei der Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu unterstützen. Wir fordern, das Amt im Sinne der Gleichstellung und Förderung aller Geschlechter zu reformieren und Gleichstellungsbeauftragte als Teil der Hochschulleitung mit exekutiver Verantwortung auszustatten. So soll sichergestellt werden, dass Hochschulen das in Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayHSchG erwähnte „Leitprinzip“ der Geschlechtergerechtigkeit tatsächlich auch als Aufgabe ihrer Leitungsgremien verstehen. Im Sinne der Hochschulautonomie soll es zudem den Hochschulen überlassen sein, Gleichstellungsbeauftragte sowohl aus dem Kreis der Hochschullehrenden sowie aller anderen Statusgruppen zu berufen.

1.5 Studierendenvertretung

Wie vom Staatsministerium angekündigt, soll es auch zukünftig an jeder Hochschule eine von den Studierenden gewählte Studierendenvertretung geben. Als Studierendenvertretung sehen wir jedoch nicht nur die beschlussfassenden und ausführenden Organe sowie Vertretungen der Fachschaften, wie in Art. 52 BayHSchG beschrieben. Zu einer Studierendenvertretung gehören insbesondere auch die Einbindung und stimmberechtigte Mitgliedschaft von Studierenden im Senat, Hochschulrat, in den Fakultätsräten, Berufungsausschüssen und vielen anderen Entscheidungsorganen. In Anbetracht der hohen Einarbeitungszeit bei im Vergleich kurzer Amtszeit, der studiumsbedingten Fluktuation und der generellen Last, die ein Hochschulamt mit sich bringt, ist es maßgeblich für den Erfolg der Studierendenvertretung, dass in allen Gremien einer Hochschule mindestens zwei Studierende beteiligt sind. Diese Mindestbeteiligung ist im aktuellen Hochschulgesetz bereits geregelt und muss auch bei einer neuen, flexibleren Gesetzesvorgabe verbindlich festgeschrieben werden.

Darüber hinaus soll auf Landesebene ein sog. „Landesstudierendenbeirat“, vergleichbar mit der Landesschülerkonferenz, verankert werden. Welche genauen Vorgaben vorgesehen sind wurde nicht näher erläutert. Wir fordern das Staatsministerium auf, die Landes-ASten-Konferenz Bayern als offizielles Vertretungsorgan der Studierendenvertretungen in Bayern anzuerkennen und sie im Hochschulgesetz als Landesstudierendenvertretung festzuschreiben. Die Bezeichnung des „Beirats“ wird dem Auftrag eines Vertretungsorgans nicht gerecht und wird daher von uns sowie allen weiteren Studierendenvertretungen abgelehnt. Damit die Landesstudierendenvertretung an der Ausgestaltung der Hochschullandschaft aktiv teilhaben kann, ist es erforderlich, sie im Zuge der Festschreibung mit starken Beteiligungsrechten auszustatten. So ist sicherzustellen, dass sie bei Regelungen, die die hochschulpolitischen Belange der Studierenden berühren, vom Staatsministerium bzw. Landtagsausschuss rechtzeitig informiert und angehört wird. Auch bedarf es eines Initiativrechts, um neue hochschulpolitische Konzepte aus der Studierendenschaft heraus anzustoßen.

2. Nachhaltigkeit

Wir fordern Klimaneutralität bis 2030!

In der Hochschulreform wird bereits gesehen, dass Hochschulen einen entscheidenden Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung leisten müssen. Die aktuelle Diskussion, den Katalog der Hochschulaufgaben in diesem Zuge, um einen Programmsatz zur Nachhaltigkeit zu erweitern, begrüßen wir sehr. Die Ankündigung thematisiert dabei jedoch lediglich die Hochschulaufgaben (Lehre, Forschung und Transfer). Eine Orientierung am Gedanken der Nachhaltigkeit in allen Bereichen, wie etwa auch dem Hochschulbetrieb oder der Governance, ist bisher nicht zu erkennen.

Jedoch ist die konsequente strukturelle Verankerung der Nachhaltigkeit in allen Bereichen der Hochschule unerlässlich – somit auch im Hochschulbetrieb sowie bei der Governance.

Dass die Nachhaltigkeit dabei nicht nur in ihrer ökologischen Dimension, sondern auch in ihrer sozialen und ökonomischen Dimension gedacht werden muss, sollte als grundlegendes Verständnis etabliert werden und durch eine Verankerung im Gesetz Einzug in die Ausrichtung bayerischer Hochschulen finden.

Insgesamt darf die im bayerischen Klimaschutzgesetz geregelte Klimaneutralität bis 2030 für Hochschulen kein optionales Ziel sein. Die Klimaneutralität muss für alle Hochschulen verpflichtend sein. „Alle Hochschulen“ soll dabei die Unabhängigkeit von der jeweiligen Rechtsform (siehe hierzu Forderung in Kapitel 4) meinen.

Zur Implementierung von Nachhaltigkeit bedarf es einem strategischen Gesamtkonzept, das zu einem essenziellen und festen Bestandteil der Entwicklungspläne und Zielvereinbarungen mit dem Ministerium werden muss. Eine Strategie, die auf die Freiwilligkeit der Hochschulen setzt, ist umweltpolitisch und gesellschaftlich nicht tragbar. Ein Gesamtkonzept kann vor allem dann gelingen, wenn der Nachhaltigkeit in den Leitungsgremien ein eigener Geschäftsbereich zugeschrieben wird. Dies kann durch die Schaffung einer entsprechenden Stabstelle für nachhaltige Entwicklung umgesetzt werden.

Die Ziele der Hochschulen müssen die gesellschaftliche Vorbildfunktion widerspiegeln. Hochschulen müssen in den Zielvereinbarungen als ganzheitliches akademisches Projekt verstanden werden.

Um eine ganzheitliche Ausrichtung sicherstellen zu können, fordern wir Maßnahmen im Bereich der Lehre, der Forschung, des Transfers, des Betriebs und der Governance. So sehen wir es im Bereich der Lehre als zentrale Aufgabe die drei Nachhaltigkeitsdimensionen akademisch zu verankern, indem Nachhaltigkeit bereits in Berufungsverfahren sowie Ausschreibungen als Querschnittskompetenz geprüft wird. Damit soll sich langfristig auch eine akademische Verankerung in allen Studiengängen ergeben. Außerdem benötigt es eine Ausweitung anrechenbarer Studienangebote, sodass sich Nachhaltigkeit in allen Studiengängen sowie der von der Hochschule angebotenen Weiterbildungen wiederfindet. In diesem Zuge wird es auch im Bereich der Forschung zu einer notwendigen Aufgabe, bewusste Forschungsschwerpunkte zu setzen. Eine hohe Bedeutung kommt an dieser Stelle auch dem Transfer zu. Die Hochschule soll durch Nachhaltigkeitsprojekte, welche durch Kooperation mit Politik, Forschung, Zivilgesellschaft oder Wirtschaft geprägt sind, in den offenen Dialog mit der Öffentlichkeit treten. Dabei ist ein freier Zugang für jede*n zum generierten Wissen (Stichwort Open Access) sicherzustellen. Im Bereich des Betriebs der Hochschule stellt ein zirkulärer Hochschulbetrieb ein zu verfolgendes Ziel dar. Dabei soll der Zero-Waste-Ansatz verfolgt werden: durch die Wiederverwendung wertvoller Ressourcen soll Müll vermieden und damit der einhergehende Ressourcenverbrauch konkret reduziert werden. Dieses Ziel ist Hand in Hand mit dem zuständigen Studentenwerk München anzugehen. Ebenso sollen im Bereich des Betriebs Nachhaltigkeitskriterien konkreter Bestandteil bei Ausschreibungen und damit auch bei der Vertragsschließung mit externen Dienstleistern werden. Im Bereich der Governance fordern wir einen Einfluss nachhaltiger Kriterien in alle Entscheidungen der Hochschulwelt.

Zur Kontrolle der angestrebten Ziele bedarf es eines umfassenden Reportings. Wir fordern somit einen Nachhaltigkeitsreport, der folgende inhaltlichen Punkte aufweisen soll:

  • Grundsätzlich: Berichterstattung über den Grad der Verankerung von Nachhaltigkeit in den o.g. Hochschulbereichen
  • Ökologie: Ausweis des ökologischen Fußabdrucks (CO2 netto Emissionen), gegliedert in die o.g. Bereiche
  • Ökonomie: Wirtschaftlichkeit der Hochschule unter Berücksichtigung eines langfristigen Umgangs der Ressourcen (Ausblick > 5 Jahre)
  • Soziales: Chancengleichheit für marginalisierte Student:innen mit besonderer Benachteiligung

Der Aufwand dieser Forderungen ist mit entsprechenden finanziellen Mitteln verbunden. Wir fordern daher vom Ministerium eine Erhöhung der Grundfinanzierung zur expliziten Erfüllung der Nachhaltigkeitsaufgaben und -ziele. Innerhalb der Hochschulen soll die Aufgabe der Nachhaltigkeit bei der Verteilung des Globalbudgets berücksichtigt werden.

Unsere Forderungen sind eine Einladung an bayerische Hochschulen, als Vorbild voranzugehen und sich damit auch gegenüber der deutschen und globalen Hochschullandschaft hervorzuheben. Nachhaltigkeit darf nicht als Last gesehen werden. Sie ist eine Chance, die genutzt werden sollte.

3. Gebührenfreie Bildung

Wir fordern freie Bildung für alle!

Im Rahmen der Hochschulreform sollen die Hochschulen die Möglichkeit erhalten, Gebühren von ihren Studierenden zu erheben. Davon ausgenommen sind Gebühren für die Ausbildung deutscher und EU-Studierender sowie weiterer durch den Staat finanzierter Tätigkeiten. Jedoch wird dadurch u.a. die Möglichkeit der Gebührenerhebung für Nicht-EU-Ausländer:innen eröffnet. Auch sind andere Gebühren denkbar, die über die staatlich finanzierten Tätigkeiten hinausgehen.

“Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung.”, heißt es in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (1948), Artikel 26.

Im Jahr 2019 waren an der Hochschule München 379 Austauschstudierende und 1256 international Vollzeitstudierende [Hochschule München, 2019]. Diese Studierende fördern die Diversität und die kulturelle Vielfalt an unserer Hochschule. Eine Einführung von Studiengebühren für Nicht-EU-Studierende kann dazu führen, dass die Anzahl der internationalen Studierenden zurückgeht. Diese Hürde gilt es zu verhindern. Ein Negativbeispiel zeichnet sich in Baden-Württemberg ab. Hier wurden Studiengebühren in Höhe von 1200 Euro im Semester für Nicht-EU-AusländerInnen erhoben. Dies führte zu einem 26-prozentigen Rückgang der Anzahl an internationalen Studierenden [Deutsches Studentenwerk, 2017]. Dabei ist anzumerken, dass die eingenommen Gebühren hauptsächlich für die Verwaltungskosten verwendet werden. Studiengebühren für Nicht-EU-AusländerInnen halten wir angesichts der Zielsetzungen des Bologna-Prozesses, der Internationalisierung des Hochschulstudiums und der Verbesserung des wissenschaftlichen Austausches für wenig zielführend. Ungleichheit und das Gefühl, eine Unterscheidung zu haben, werden verstärkt, wenn Minderheiten Gebühren zahlen müssen, obwohl das Studium für die „anderen“ gebührenfrei ist. Klimawandel, Armut, soziale Ungerechtigkeit und Krieg sind aber weltweite Probleme, die nur zusammengelöst werden können. Dabei ist der wissenschaftliche Austausch auf internationaler Ebene in Forschung und Lehre zentral. Außerdem ist die Einführung dieser Art von Studierendengebühren ein erster Schritt, um Studierendengebühren für alle einzuführen.

Chancengleichheit und soziale Nachhaltigkeit muss in unserer Bildung verankert sein. Das heißt Bildung darf nicht noch mehr vom finanziellen Hintergrund einer Person und dessen Eltern abhängig sein. Wir kennen die Gebührenpflicht beispielsweise aus dem amerikanischen Bildungssystem, in welchem sich Studierende zu Beginn ihres Arbeitslebens hoch verschulden müssen. Die negativen Auswirkungen der Einführung von Studiengebühren zeigen auch die Zahlen nach der Einführung von Studiengebühren 2002 in Deutschland. Die führte damals dazu, dass 40.000 Studierende ihr Studium abbrechen mussten. Die StudienabbrecherInnen kamen meist aus bildungsfernen [ABS 2011] und finanzschwache Schichten. Betrachten wir die Situation in München – allein die Mietkosten eines Studierenden lagen 2019 im Durchschnitt bei 717 Euro [Zeit, 2019]. Der BAföG-Höchstsatz ist aktuell 861 Euro.

Daher fordern wir im Gegenteil mehr Unterstützung für Studierende, beispielsweise durch ein elternunabhängiges BAföG oder ein bayernweites Studierendenticket wie in NRW.

4. Körperschaften und Unternehmertum

Wir fordern eine Hochschulbildung und -forschung, die frei von ökonomischen Zwängen und Verwertbarkeitslogiken sowie privatwirtschaftlichen Interessen stattfindet.

Die derzeit diskutierten Eckpunkte für die Reform des bayerischen Hochschulgesetzes (BayHSchG) sehen vor, die Hochschulinternen Governancestrukturen weitestgehend den Hochschulen selbst zu überlassen (vgl. 1.). Dabei sollen wichtige Hochschulbereiche, die derzeit Teil der unmittelbaren Staatsverwaltung sind, in die hochschulinterne Governance überführt werden, indem die Hochschulen sich zu reinen Körperschaften des öffentlichen Rechts umstrukturieren. Zusätzlich soll es Hochschulen zukünftig erlaubt sein, sich stärker unternehmerisch zu engagieren, indem sie sich etwa an Unternehmensgründungen von Hochschulmitgliedern beteiligen und Ressourcen für diese bereitstellen. Zusätzlich soll hierfür die Möglichkeit eines sogenannten Gründungsfreisemesters für Mitarbeitende der Hochschulen eingeräumt werden.

4.1 Körperschaften des öffentlichen Rechts

Eine Umstrukturierung unserer Hochschule hin zu einer reinen Körperschaft des öffentlichen Rechts lehnen wir ab, da dadurch wichtige Lenkungswirkungen des Ministeriums verloren gehen. Um eine weitere Verbindlichkeit staatlicher Ziele und Vorgaben zu gewährleisten, sollten die Hochschulen also Teil der unmittelbaren Staatsverwaltung bleiben.

Wir betonen ausdrücklich, dass die Hochschule München bereits heute eine Zwitterstellung in dieser Hinsicht einnimmt, da einige Bereiche Teil der unmittelbaren Staatsverwaltung sind und trotzdem bestimmte Merkmale einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erfüllt werden. Letzteres wären etwa die Verfügung über einen Globalhaushalt, oder die demokratische Wahl der eigenen Vertreter:innen durch Mitglieder innerhalb der Hochschule. Einige Vorteile, die die rechtliche Form einer Körperschaft mit sich brächte, sind also auch als Teil der unmittelbaren Staatsverwaltung denkbar.

Die Dienstherrschaft über die Mitarbeitenden der Hochschulen sollte in jedem Fall weiterhin beim Staat, also beim zuständigen Ministerium, bleiben, da sich der Freistaat Bayern hier als Garant für vergleichbar gute Arbeitsbedingungen für die Mitarbeitenden an allen bayerischen Hochschulen bewährt hat. Fällt die Dienstherrneigenschaft auf die Hochschulen selbst, so wären starke Abhängigkeitsverhältnisse, etwa im Rahmen eines Promotionsverhältnisses, die Folge. Hier spielt das Staatsministerium als Kontrollinstanz, auch bei Personalproblemen, folglich eine entscheidende Rolle.

4.2 Unternehmertum

Wie genau eine unternehmerische Betätigung von Hochschulen verstanden werden kann, ist zweideutig. Einerseits könnte damit eine unternehmerische Betätigung der Hochschule als Institution gemeint sein und andererseits könnte damit auf eine Förderung von unternehmerischer Betätigung durch Hochschulmitglieder, wie etwa Unternehmensgründungen, verwiesen werden.

4.2.1 unternehmerische Betätigung der Hochschulen

Eine institutionelle unternehmerische Betätigung der Hochschulen selbst (als juristische Person) ist unseres Erachtens in jeder Hinsicht abzulehnen. Nicht nur hätte dies nichts mit den Kernaufgaben einer Hochschule (Forschung, Lehre und Transfer) zu tun, sondern auch eine Konkurrenz zwischen wirtschaftlichen Zielen sowie Forschungs- und Lehrzielen wären die Folge. Außerdem bliebe noch die Frage zu beantworten, wer für einen wirtschaftlichen Misserfolg einer unternehmerischen Betätigung der Hochschule haften soll.

Hochschulen haben gemeinnützig und unabhängig von privatwirtschaftlichen Interessen zu sein, damit dem Ideal einer zweckfreien Erkenntnis gerecht werden kann. Auch eine Abhängigkeit von Drittmitteln, kann diesem Ideal und den Kernaufgaben der Hochschulen widersprechen, da Private Geldgeber in der Regel an einer Marktwirtschaftlichen Verwertbarkeit der Forschung interessiert sind. Insbesondere die Geistes- und Sozialwissenschaften müssen aber „oftmals Wege einschlagen, die zunächst nicht unmittelbar erfolgsversprechend erscheinen, um zu komplexen Ergebnissen zu gelangen und vermeintliche Gewissheiten in Frage stellen zu können. Der ständige Kampf um eine [notwendige signifikante Erhöhung der Grundfinanzierung] (.) steht einem solchen Prozess diametral entgegen, was selbst für die Grundlagenforschung im Hightech- und MINT-Bereich seine Gültigkeit besitzt“ (GuS 2020). Bildung und Forschung sind staatliche Aufgaben, daher müssen die Hochschulen auch vom Staat ausreichend finanziert werden.

4.2.2 Förderung unternehmerischen Handelns von Hochschulmitgliedern

Wir begrüßen die Förderung des unternehmerischen Handelns von Studierenden. Dabei sollte allerdings darauf geachtet werden, nachhaltige Unternehmungen besonders zu unterstützen (vgl. 2.). Nur so kann die in der Hochschulreform festgeschriebene Forderung nach Nachhaltigkeit in diesem Bereich umgesetzt werden.

Die Hochschule darf sich unserer Auffassung nach nicht als juristische Person direkt finanziell beteiligen und Anteilseigner, etwa von Neugründungen, werden, da dies den grundlegenden Aufgaben in Lehre, Forschung und Transfer entgegensteht. Sie sollte sich viel mehr das Ziel setzen, ein ideales Gründungsumfeld und dadurch Lernmöglichkeiten zu schaffen. Dazu gehört die Bereitstellung von Räumlichkeiten, Equipment und einem Netzwerk an Ansprechpartner:innen.

Professor:innen und wissenschaftliche Mitarbeiter:innen müssen während ihrer Anstellung an der Hochschule Unternehmensgründungen von Hochschulmitgliedern fördern können. Dafür sollten die Regelungen für Nebentätigkeiten angepasst werden. Daher begrüßen wir ausdrücklich, dass neben dem Lehr- und Forschungssemester Professor:innen und wissenschaftliche Mitarbeiter:innen die Möglichkeit auf ein Gründungssemester gewährt bekommen sollen. In diesem sollten sie insbesondere Studierenden im Gründungsprozess eines Start-ups individuell unterstützen können. Auch für die Studierenden selbst müssen aber Rahmenbedingungen geschaffen werden, in denen sie durch eine Gründung während ihres Studiums keine Nachteile erfahren. Regelungen zur maximalen Studienzeit und dem Nachholen von Prüfungen sollten hierzu die benötigte Flexibilität aufweisen.

Die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Partnern aus der Privatwirtschaft begrüßen wir, solange sie dem Zweck dienen, das Wissensangebot weiter zu steigern. Aufgrund von möglichen Abhängigkeiten und Interessenskonflikten, muss hierbei allerdings besonders auf Transparenz geachtet werden.

Als Kontrollinstanz sollte ein Ombudsgremium geschaffen werden, welches das Handeln von Hochschulakteuren in den Bereichen Forschung und Lehre hinsichtlich solcher Abhängigkeiten und Interessenskonflikten bewertet, die im Zusammenhang mit privatwirtschaftlichen Betätigungen oder Kooperationen entstehen können. Bei Fehlverhalten sollte ein solches Ombudsgremium eingreifen und die wirtschaftliche Betätigung oder Kooperation einschränken, oder gar beenden können.

Quellen

ABS (Aktionsbündnis gegen Studiengebühren) 2011
http://gegenstudiengebuehren.blogsport.eu/argumente-gegen-studiengebuehren

Deutsches Studentenwerk 2017
https://www.studentenwerke.de/de/content/keine-studiengeb%C3%BChrenf%C3%BCr-internationale

Hochschule München 2019
https://w3-mediapool.hm.edu/mediapool/media/dachmarke/dm_lokal/presse/news_1/dokumente_46/2020_8/05_31/Durchblick.pdf

Initiative Geistes- und Sozialwissenschaften (GuS) 2020
https://www.openpetition.de/petition/online/fuer-den-erhalt-und-die-staerkung-dergeistes-und-sozialwissenschaften-in-bayern

Zeit 2019
https://www.zeit.de/wirtschaft/2019-09/studenten-mieten-wohnen-muenchenstuttgart-studie?utm_referrer=https%3A%2F%2F


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