Positionspapier zur Novellierung des Bayerischen Hochschulgesetzes

Students for Future München

0 Präambel – Kritik und Aufbruch

Der bisherige Prozess zur Ausarbeitung des Hochschulinnovationsgesetzes verlief höchst intransparent. Viele der im Eckpunktepapier [1] des Ministeriums beschriebenen Punkte sehen wir, Students for Future München, sehr kritisch. Deshalb schließen wir uns zahlreichen Kritiken, wie unter Anderem die Stellungahmen der Initiative Geistes- und Sozialwissenschaften [2] und der Landes-Asten-Konferenz Bayern gemeinsam mit dem LWB [3], an.

Aufgrund der bestehenden schwerwiegenden Kritikpunkte fordern wir das Ministerium für Wissenschaft und Kultur mit Minister Bernd Sibler sowie Ministerpräsident Dr. Markus Söder und den Bayerischen Landtag auf,

  • den Zeitraum für die Gesetzesänderung zu verlängern oder
  • einen neuen, transparenteren, demokratischeren Prozess aufzusetzen,

um die Kritik und Forderungen aller Betroffenen in den Gesetzentwurf mit einzuarbeiten, sodass die demokratische Mitgestaltung der Betroffenen wirksam gewährleistet ist.

Wir begrüßen, dass im neuen Bayerischen Hochschulgesetz das Thema Nachhaltigkeit als übergreifender Auftrag für Hochschulen festgehalten werden soll. Da der Programmsatz zu Nachhaltigkeit im Eckpunktepapier des Ministeriums extrem unkonkret gehalten ist [1], schlägt Students for Future München folgende konkrete Inhalte vor, die im Gesetzesentwurf enthalten sein sollen:

1 Ziel der Klimagerechtigkeit

Alle Bereiche von Hochschulen, Bibliotheken und Studierendenwerken richten sich an Klimagerechtigkeit und Nachhaltigkeit aus, um die katastrophalen Folgen der Erderwärmung auf die Natur und die gesamte Gesellschaft einzudämmen.

Die Hochschulen bekennen sich nach innen und nach außen zu ihrer Verantwortung, das 1,5°-Ziel zu erreichen und die daraus resultierenden Handlungsschritte einzuleiten, das heißt ihren direkten und indirekten Beitrag zu leisten, das CO2-Budget einzuhalten. Für den laufenden Betrieb der Hochschulen bedeutet das, dass diese bis spätestens zum Jahr 2030 Klimaneutralität erlangt haben müssen, so wie dies nach dem Bayerischen Klimaschutzgesetz [4] für alle Einrichtungen der unmittelbaren Staatsverwaltung gilt.

Im Bereich Lehre & Studium soll Klimagerechtigkeit und Nachhaltigkeit als fachspezifischer, aber auch als inter- & transdisziplinärer Bestandteil in allen Studiengängen repräsentiert sein, beispielsweise in Form eines Wahlpflichtmoduls. Lehrende und Mitarbeitende sind mit gezielten Weiterbildungen und Schulungen zu fördern. Bei der Ausschreibung von Forschungsprofessuren und ebenso bei Berufungen ist auf Nachhaltigkeitskriterien zu achten, welche sich z.B. an den Sustainable Development Goals [5] orientiert und durch unabhängige Gutachten belegt werden können. Die neue Hochschulaufgabe des gesellschaftlichen Mehrwerts beinhaltet: die Kommunikation wissenschaftlicher Erkenntnisse und Lösungsansätze zu Nachhaltigkeitsproblemen an die gesamten Gesellschaft und deren Anwendung an den Hochschulen selbst.

2 Plan zur Umsetzung

Die umfassende Implementierung von Nachhaltigkeit und Klimagerechtigkeit [6, 7, 8] in allen Hochschulaufgaben erfordert ein strategisches Gesamtkonzept, klare personelle Verantwortlichkeiten und Ressourcen zur Umsetzung.

Vorschläge für konkrete Maßnahmen:

• Dieses Ziel kann nicht durch unabgestimmte Einzelmaßnahmen erreicht werden. Für die Umsetzung wird eine in sich konsistente Strategie benötigt: von betrieblichen Anschaffungen über Lehrkonzepte bis zu Geldanlagen. Im Betrieb soll das oberste Ziel die direkte Vermeidung bzw. Reduktion von Treibhausgasemissionen sein, nicht nur eine indirekte Kompensation durch Ausgleichsmaßnahmen.

• Weiterhin sind für die konkrete Umsetzung klare Zuständigkeiten zu bestimmen: eine verantwortliche Person in der Hochschulleitung und Stellen in der Verwaltung (z.B. ein Green Office) mit studentischer Beteiligung und unter Partizipation aller Betroffenen.

• Zur Umsetzung der Nachhaltigkeits- & Klimaschutzziele sind bei der Ressourcenvergabe neben einem Globalhaushalt zusätzliche Mittel vorzusehen, denn Klimaschutz soll und darf nicht in Konkurrenz um Gelder für Bauprojekte oder Lehrmittel stehen.

3 Bericht Ausgangspunkt & Aufsicht

In einem jährlichen Nachhaltigkeitsbericht sollen eine ausführliche Bestandsaufnahme der aktuellen Verankerung von Nachhaltigkeit in den verschiedenen Hochschulbereichen, weitere konkrete Zielsetzungen und die nächsten Maßnahmen transparent veröffentlicht werden. Dieser ist dem Ministerium für Wissenschaft & Kunst oder einer extra dafür eingerichteten Kommission zur unabhängigen Aufsicht vorzulegen.

Bei den Zielvereinbarungen zwischen allen einzelnen Hochschulen mit dem Ministerium sind diese Nachhaltigkeitsziele immer explizit zu berücksichtigen. Bei Nichteinhaltung der Ziele müssen entsprechende Konsequenzen folgen.

4 Erklärung

Die Ergebnisse des IPCC zeigen, dass sehr konkreter Handlungsbedarf besteht, da in den letzten Jahrzehnten, in denen der menschengemachte Klimawandel bekannt war, kaum Maßnahmen ergriffen wurden und der CO2 Ausstoß massiv gestiegen ist. Die Hochschulen sind Orte von Innovation und Transformation und spielen damit eine Schlüsselrolle auf dem Weg in eine klimaneutrale Gesellschaft. Ein Hochschulgesetz hat die Aufgabe, diesen „Neuaufbruch“ [1] einzuleiten und somit die immense Dringlichkeit zu beachten, JETZT die Weichen für eine nachhaltige Gesellschaft zu stellen, bevor die Klima-Kipppunkte überschritten sind und dadurch irreversible Schäden für Mensch und Natur folgen. 2021 finden die UNESCO Wochen Bildung und Nachhaltige Entwicklung [9] statt – eine ideale Gelegenheit ein demokratisches Nachhaltigkeitskonzept Bayerns als Positivbeispiel zu den SDGs zu präsentieren.

Students for Future hat bereits in drei Semestern mit der Public Climate School [10] gezeigt, wie Klimagerechtigkeit bundesweit eine Woche in die Lehre integriert werden kann. Nun braucht es eine institutionelle Verankerung solcher mehrfach erfolgreicher Umsetzungen.

Definitionen

Um Missverständnisse der erwähnten Begrifflichkeiten zu vermeiden, folgt eine kurze Beschreibung einiger Schlagworte.

  • „Nachhaltigkeit”: umfasst sowohl die ökologische, als auch die soziale und ökonomische Dimension. Die ökologische Nachhaltigkeit beinhaltet unter anderem Artenvielfalt, Treibhausgasemissionsreduktion und Ressourcenschonung. Zur sozialen Dimension gehört u.A. Partizipation, Diversitätsförderung und soziale Gerechtigkeit. Ökonomische Aspekte sind z.B. das Schließen der Wertschöpfungskette hin zu einer Kreislaufwirtschaft und vorausschauende, gezielte Investitionen in Erneuerbare Energien in Märkten des Globalen Süden.
  • „Klimagerechtigkeit”: bedeutet konsequenter Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit. Zu letzterem gehört u.A. demokratische Mitbestimmung, Abbau rassistischer Strukturen und jeglicher Art von Diskriminierung, sowie Chancengleichheit egal welcher sozialen Herkunft, Gendergerechtigkeit und Inklusion von Menschen mit Behinderung.

Wir fordern, dass unsere Punkte in der Ausformulierung des Programmsatzes zu Nachhaltigkeit im neuen Bayerischen Hochschulgesetz mit aufgenommen werden.

Students for Future München

Students for Future Nürnberg

Students for Future Erlangen

Students for Climate Justice Regensburg

Students for Future Bayreuth

Students for Future Augsburg

Students for Future Eichstätt

Referenzen

[1] Talente fördern und Wettbewerb stärken: Freistaat bringt umfassende Hochschulreform auf den Weg. Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst. https://www.stmwk.bayern.de/studenten/meldung/6576/talente-foerdern-und-wettbewerb-staerken-freistaat-bringtumfassende-hochschulreform-auf-den-weg.html (abgerufen im Jan. 2021).

[2] Initiative Geistes- und Sozialwissenschaften. https://initiativegus.wordpress.com/. (abgerufen im Jan. 2021).

[3] https://hochschulvision.bayern/. (abgerufen im Jan. 2021).

[4] Art. 3 BayKlimaG. Fassung 23.11.2020. https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayKlimaG-3.

[5] Ziel für nachhaltige Entwichlung. UNRIC. https://unric.org/de/17ziele/. (abgerufen im Jan. 2021).

[6] Positions- und Forderungspapier Nachhaltigkeitund Ethik an Hochschulen. Initiative für Nachhaltigkeit und Ethik an Hochschulen. 2017. https://www.franz-hitze-haus.de/fileadmin/backenduser/download/pdf/Tagungsrueckblick/Sneep_Positionspapier.pdf.

[7] FAU-Studierende übergeben Klimaschutzkonzept an FAU-Präsident. Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg. 26.11.2019. https://www.fau.de/2019/11/news/fau-studierendeuebergeben-klimaschutzkonzept-an-fau-praesident/. (abgerufen im Jan. 2021).

[8] Students for Future München. Forderungen. https://www.studentsforfuture-muc.de/#demands. (abgerufen im Jan. 2021).

[9] BNE-Wochen 2021. Deutsche UNESCO-Kommission. 19.11.2020. https://www.unesco.de/bildung/bildung-fuer-nachhaltige-entwicklung/bne-wochen-2021-jetzt-anmelden. (abgerufen im Jan. 2021).

[10] Public Climate School. https://studentsforfuture.info/public-climate-school/. (abgerufen im Jan. 2021).

Quelle: https://studentsforfuture-muc.de/assets/downloads/2021-02-07_Positionspapier-Hochschulgesetz-StuFF.pdf