Positionspapier zu den Eckpunkten der bayerischen Staatsregierung für eine Novellierung des Hochschulrechts

Die bayerische Staatsregierung beabsichtigt eine tiefgreifende Hochschulre-form. Das Bayerische Hochschulgesetz und das Bayerische Hochschulpersonalgesetz sollen durch ein „Hochschulinnovationsgesetz“ ersetzt werden. Bislang liegt hierzu nur ein Eckpunktepapier vor (https://www.stmwk.bayern.de/allgemein/meldung/6576/talente-foerdern-und-wettbewerb-staerken-freistaat-bringt-umfas-sende-hochschulreform-auf-den-weg.html), das der Ministerrat am 20.10.2020 beschlossen hat.

Das neoliberale Konzept der „unternehmerischen Hochschule“ bildet den Kern dieses Eckpunktepapiers. Die Hochschulen sollen noch stärker als bisher ökonomisiert und auf Wettbewerb und Konkurrenz, z.B. um Drittmittel aus der Wirtschaft ausgerichtet werden. Wissenschaft und Forschung sollen primär an ihrer ökonomischen Verwertbarkeit gemessen werden. Bestehende Möglichkeiten der demokratischen Mitbestimmung und Kontrolle sollen zugunsten der Hochschulleitungen und unter Einbindung von sog. „externem Sachverstand“ weiter ausgehöhlt werden. Das gefährdet die akademische Selbstverwaltung der Hochschulen und damit die Wissenschaftsfreiheit erheblich.

Hochschulen sind keine Unternehmen! Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften setzen rein an Wirtschaftsinteressen ausgerichteten Vorstellungen zur Weiterentwicklung der bayerischen Hochschulen das Leitbild einer demokratischen, kritischen und unabhängigen, sozialen und diversen Hochschule entgegen. Die Hochschulen müssen sich an der hohen Qualität von Studium, Lehre und Forschung, aber auch der Arbeitsbedingungen messen lassen. Sie müssen sich sozial öffnen, Durchlässigkeit im Bildungssystem sicherstellen und bestehende Diskriminierungen überwinden. An den Hochschulen braucht es mehr, nicht weniger Demokratie, Transparenz und Teilhabe. Grundsätzliche Fragen der Ausrichtung der Hochschule müssen der parlamentarischen Kontrolle unterworfen bleiben. Der Staat muss seine Verantwortung für die Hochschule – besonders als Arbeitgeber – wahrnehmen und sie bedarfsgerecht finanziell ausstatten. Dies ist eine zentrale Voraussetzung für Wissenschaftsfreiheit.

Der DGB Bayern lehnt daher die im Eckpunktepapier skizzierte Hochschulreform ab. Im Folgenden soll die gewerkschaftliche Kritik an den Plänen anhand vier zentraler Punkte deutlich gemacht werden.

1. Neoliberale Ausrichtung der Hochschulen verhindern – Grundfinanzierung durch den Freistaat sichern

Das Eckpunktepapier sieht vor, dass neben Forschung, Lehre, Studium und Weiterbildung der Wissens- und Technologietransfer als zentrale Aufgabe der Hochschule hinzutreten soll. Hierbei gehe es um Mehrwert für „Staat, Wirtschaft und Gesellschaft“. Auch wenn im Papier sozialer, ökologischer und kreativer Mehrwert anerkannt werden, wird allein aus der Reihung der Transferziele deutlich, dass der wirtschaftliche Mehrwert von Wissenschaft und der technologische Nutzen Vorrang vor dem gesellschaftlichen genießen sollen.

Bereits jetzt sind weitreichende Kooperationen und Kontakte zwischen Hochschulen und Wirtschaft möglich. Unternehmen üben über Drittmittelprojekte, Stiftungsprofessuren, Sponsoring und andere Kooperationen erheblichen Einfluss auf Wissenschaft, Forschung und Lehre an den bayerischen Hochschulen aus. Das Eckpunktepapier sieht allerdings eine noch engere Verzahnung von Wirtschaft und Forschung vor. Die Beteiligung von Hochschulen an Unternehmen soll ebenso erleichtert werden wie die Förderung von Unternehmensgründungen und die Bereitstellung von Hochschulressourcen für Ausgründungen. Professor_innen sollen für Unternehmensgründungen freigestellt werden. Auch die unternehmerische Tätigkeit von Hochschullehrer_innen soll deutlich erleichtert werden. Interessenskonflikte sind hier bereits vorgezeichnet.

Eine allzu enge Bindung an einzelne Unternehmen und Organisationen sowie die strategische Ausrichtung auf wirtschaftliche Verwertbarkeit und Interessen würden dem Prinzip der Wissenschaftsfreiheit und dem öffentlichen Bildungs- und Forschungsauftrag der Hochschulen widersprechen.

Die im Eckpunktepapier beschworene „größtmögliche Freiheit“ würden vor allem diejenigen Bereiche und Hochschulen genießen, die wirtschaftlich rentabel sind. Der Rückzug des Staates würde es der Wirtschaft noch weiter erleichtern, Einfluss auf die Hochschulen zu nehmen. Gleichzeitig würde es für die Öffentlichkeit noch schwieriger, diese Einflussnahme nachzuvollziehen. Es ist auch absehbar, dass darunter besonders die nicht-zweckgerichtete Forschung und die Fachrichtungen leiden werden, deren Forschungsergebnisse nicht unmittelbar wirtschaftlich verwertbar sind, etwa im Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften oder der Grundlagenforschung.

Hinter Begriffen wie „größtmögliche Freiheit“, „Wettbewerb“, „Entfesselung“, „Verschlankung“, „Eigenverantwortung“, „externer Sachverstand“ und „Flexibilisierung“ verbirgt sich letztlich das Ziel einer weitgehenden Entstaatlichung der bayerischen Hochschullandschaft: Laut Eckpunktepapier sollen die Hochschulen im Regelfall zu reinen Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Dienstherrenfähigkeit und Bauherreneigenschaft werden. Dem zuständigen Staatsministerium obläge allein noch die Rechtsaufsicht. In einer neueren Pressemitteilung vom 1.12.2020 ließ das Staatministerium verlauten, dass die Hochschulen zunächst selbst entscheiden können sollen, ob sie den Weg zu einer Personal-Körperschaft einschlagen oder im bisherigen System bleiben wollen, und dass die Dienstherreneigenschaft beim Freistaat verbleiben solle. Das gibt Anlass zur Hoffnung, doch es bleibt noch offen, wie und ob der Umbau in Körperschaften langfristig trotzdem weiterverfolgt wird.

Die Hochschulen sollen künftig Globalhaushalte erhalten, über deren Verwendung sie weitestgehend eigenständig verfügen. Staatlicher Einfluss soll nur noch indirekt über Zielvereinbarungen und Entwicklungsplanung sowie eine „erfolgsorientierte (Teil-)Finanzierung“ erfolgen. Das Eckpunktepapier schweigt zu einer der entscheidenden Grundvoraussetzungen für die Freiheit der Wissenschaft und Lehre an den bayerischen Hochschulen: Eine solide Grundfinanzierung durch den Freistaat. Hier besteht seit vielen Jahren Nachholbedarf. Durch derartige Unterfinanzierung wird bewusst in Kauf genommen, dass Forschung und Lehre auf Kosten von Bildungsgerechtigkeit, Chancengleichheit und wissenschaftlicher Unabhängigkeit zum Spielball wirtschaftlicher Interessen werden.

2. Mitbestimmung und demokratische Verfasstheit stärken

Teil der geplanten Hochschulreform ist ein weitreichender Eingriff in die interne Governance der Hochschulen. Die Kompetenzen der Hochschulleitungen und der zur Hälfte extern besetzten Hochschulräte sollen dem Eckpunktepapier zufolge ausgeweitet werden. Es besteht die berechtigte Vermutung und Befürchtung, dass ein solcher Kompetenz-Zuwachs der Hochschulleitungen auf Kosten der bestehenden, demokratisch legitimierten, akademischen Selbstverwaltung geht. Das Hochschulgesetz soll künftig keine Vorgaben mehr für eine bestimmte Gremienstruktur enthalten. Die Folge wird ein Flickenteppich verschiedenster Organisationsformen sein.

Die demokratische Verfasstheit bayerischer Hochschulen steht bereits jetzt weit hinter der anderer Bundesländer zurück. Eine Reform müsste in die entgegengesetzte Richtung gehen: Sie müsste eine echte Viertelparität in den Gremien der akademischen Selbstverwaltung und die (Wieder-)Einführung der verfassten Studierendenschaft umfassen. Anstelle eines zahnlosen Landesstudierendenbeirats ohne Rechte, allgemeinpolitisches Mandat und Ressourcen, wie ihn das Eckpunktepapier vorsieht, braucht es endlich auch in Bayern eine gesetzlich verankerte starke Vertretung der Studierenden mit echten Beteiligungsrechten!

Es gilt außerdem, Mitarbeiter_innen des wissenschaftsstützenden Personals der Hochschulen Bayerns durch wesentlich mehr Mitentscheidungsbefugnisse in die Verantwortung einzubinden, anstatt diese weiterhin eher auszugrenzen. Eine parallele Novellierung des BayPVG müsste die vollumfängliche Vertretung von Wissenschaftler_innen durch den Personalrat, mehr Mitbestimmungsrechte für den Personalrat und die Einrichtung eines Personalrates für studentische Beschäftigte beinhalten.

3. Gute Arbeit an der Hochschule schaffen

Das Eckpunktepapier schweigt weitestgehend zu einer zentralen Zukunftsfrage: Der Qualität der Arbeitsbedingungen an den bayerischen Hochschulen. Sowohl unter den wissenschaftlichen wie auch bei den wissenschaftsstützenden Beschäftigten sind prekäre Beschäftigungsverhältnisse weit verbreitet. Während sich die Zahl der unbefristeten Stellen in den letzten Jahrzehnten kaum verändert hat, gab es einen starken Zuwachs bei befristeten Stellen. Viele dieser Stellen, häufig nur in Teilzeit, sollen eigentlich der wissenschaftlichen Qualifikation dienen, übernehmen in der Praxis aber einen Großteil der Lehre. Für die Beschäftigten bedeutet dies mehr Druck und wenig Planbarkeit. Eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist oft kaum gegeben.

Das wissenschaftsstützende Personal steht ebenfalls unter enormem Druck und leidet besonders unter hoher Arbeitsbelastung bei ungenügender Ausstattung. Vielerorts gibt es inzwischen zu wenige Stellen und das anfallende Arbeitspensum übersteigt die wöchentliche Arbeitszeit bei Weitem.

Für den DGB Bayern ist klar: Gute Arbeitsbedingungen für alle Beschäftige sind Grundlage für Zufriedenheit und Motivation am Arbeitsplatz und damit für die langfristige Qualität und Wettbewerbsfähigkeit der bayerischen Hochschulen!

Um dies sicherzustellen, sollten folgende Punkte handlungsleitend für ein neues Hochschulgesetz und auch die Haushaltsvorgaben sein: Dauerstellen für Daueraufgaben. Das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelfall. Die Durchsetzung der Eingruppierung in den TV-L für sämtliche Beschäftigte (auch studentische Hilfskräfte, die nicht überwiegend wissenschaftliche (Hilfs-)Tätigkeiten ausüben). Genau abgegrenzte Arbeitszeiten auch für Wissenschaftler_innen. Schaffung neuer Entwicklungs- und Karriereperspektiven unabhängig von Geschlecht und Herkunft. Nachhaltige Investitionen in die Verbesserung der Arbeitsbedingungen des wissenschaftsstützenden Personals: Wo neue wissenschaftliche Stellen geschaffen werden, muss auch der Aufbau von benötigten Stellen in Verwaltung und Technik garantiert werden.

4. Qualität der Lehre fördern

Obwohl die Zahl der Studierenden auch in Bayern in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen ist, haben die Ausgaben für Lehre und Lerninfrastruktur an den Hochschulen kaum Schritt gehalten. Auch im Eckpunktepapier der Staatsregierung kommt die Lehre bestenfalls am Rande vor. Für die Exzellenz von Hochschulen und die damit verbundene Bereitstellung von Ressourcen scheint für die Staatsregierung primär ihre Forschungsstärke ausschlaggebend zu sein. Durch diese einseitige Fokussierung wird die Einheit von Forschung und Lehre, die die deutschen und bayerischen Hochschulen über viele Jahrzehnte ausgezeichnet hat, grundsätzlich in Frage gestellt.

Die geplante Ausweitung von reinen Forschungsprofessuren, die Einführung von Gesamtlehrdeputaten und die Orientierung der Hochschulfinanzierung an Drittmitteln und internationalen Rankings stellt eine unmittelbare Bedrohung für die Qualität der Lehre dar. Es braucht eine umfassende Qualitätsoffensive für die Lehre! Besonders diejenigen Fächer, deren Gegenstände nicht direkt wirtschaftlich verwertbar sind (wie beispielsweise die Geistes- und Sozialwissenschaften) dürfen nicht vernachlässigt werden. Der Lehre sollte bei der Zuteilung öffentlicher Mittel der gleiche Stellenwert wie der Forschung eingeräumt werden. Entsprechend sollten nicht nur innovative Forschungs- sondern auch Lehrkonzepte umfassend gefördert werden. In der Corona-Krise hat sich zudem gezeigt, dass an vielen Hochschulen noch erheblicher Nachholbedarf in Sachen Digitalisierung besteht.

Ansprechpartner_innen DGB Bayern:

Daniel Fritsch – Abteilung Bildungs- und Gesundheitspolitik (daniel.fritsch@dgb.de)

Astrid Backmann – Abteilung Öffentlicher Dienst, Beamte und Personal (astrid.backmann@dgb.de)

Magdalena Siebert – Abteilung Jugend (magdalena.siebert@dgb.de)

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