Stellungnahme der Senatsvorsitzenden an bayerischen Hochschulen für angewandte Wissenschaften zum Eckpunktepapier der Bayerischen Staatsregierung

Bayern im Januar 2021

Sehr geehrter Herr Ministerialdirektor,
sehr geehrte Präsidentinnen und Präsidenten der bayerischen Hochschulen,

die Senatsvorsitzenden der bayerischen Hochschulen für angewandte Wissenschaften begrüßen persönlich die HighTech Agenda Plus des Freistaates Bayern ausdrücklich. Sie wird einen erheblichen Beitrag zur Stärkung des Wissenschafts- und Wirtschaftsstandorts Bayern leisten.

Das im Jahr 2020 vorgelegte Eckpunktepapier zur Vorbereitung einer Hochschulrechtsnovelle nehmen wir Senatsvorsitzende der HAWs gerne zum Anlass, folgende Punkte an Sie zu adressieren, die uns als Professorinnen und Professoren an den bayerischen HAWs anlässlich der ins Auge gefassten Hochschulrechtsnovelle als besonders zentral erscheinen:

  1. Die Professorinnen und Professoren müssen als Träger der Lehr- und Wissenschaftsfreiheit über die Senate und Fakultätsräte auch nach der Hochschulrechtsreform Entscheidungen auf folgenden Gebieten maßgeblich treffen können: Studiengänge, Lehrinhalte, Forschungsausrichtung, Forschungsinstitute, Transfer, Weiterbildung, Grundordnung, Wahl der Präsidien und Fakultätsleitungen. Nur so ist gesichert, dass die Professorinnen und Professoren am demokratischen Diskurs beteiligt sind und sich mit ihrer Hochschule identifizieren. Es ist zu befürchten, dass diese für die HAWs so wichtige Identifikation der Professorinnen und Professoren mit ihrer Hochschule bei einer externen Governance mit Zielvereinbarungen verloren geht.
  2. Eine Abschaffung der gesetzlichen Bestandsgarantie für die Senate und Fakultätsräte zugunsten einer internen Organisationssatzung mit umfassendem Gestaltungsspielraum für die HAWs wird nicht begrüßt. Der im Eckpunktepapier verfolgte Ansatz, wonach die erste Organisationssatzung von der Hochschule erlassen werden soll, wird nicht befürwortet, solange die Professorinnen und Professoren im beschließenden Gremium keine Mehrheit haben.
  3. Fakultätsrat, Senat, Hochschulrat, erweiterte Hochschulleitung und Hochschulleitung müssen im Hochschulgesetz mit klarer Aufgabenbeschreibung verankert sein, um interne Auseinandersetzungen um Kompetenzen zu verhindern.
  4. Der gesetzliche Auftrag zur praxisbezogenen und innovativen Lehre muss absolut gleichberechtigt neben dem gesetzlichen Auftrag zur angewandten Forschung stehen. Gut ausgebildete akademische Nachwuchsarbeitskräfte sichern den Wohlstand in Bayern. Das exzellente, praxisbezogene und innovative Lehrangebot der HAWs ist neben dem gesetzlichen Auftrag zur angewandten Forschung ihr Markenkern. Die HAWs haben mit ihrer praxisbezogenen Lehre in der Vergangenheit einen wertvollen Beitrag zur Versorgung der bayerischen Wirtschaft in den Regionen mit akademischen Nachwuchsarbeitskräften geleistet. Die im Eckpunktepapier ein Stück weit angelegte Drittmittelfokussierung der HAWs birgt die Gefahr in sich, dass der gesetzliche Auftrag der praxisbezogenen, innovativen Lehre nicht mehr die bedeutende Rolle spielen soll wie bisher.

Auch die nachfolgenden Punkte, die durch das Eckpunktepapier zur Hochschulrechtsreform aufgegriffen werden, sind aus unserer Sicht bedeutsam und sollten wie folgt berücksichtigt werden:

  1. Die HAWs sollten staatliche Hochschulen mit einer auskömmlichen staatlichen Grundausstattung bleiben. Die Umwandlung der HAWs in reine Personalkörperschaften des öffentlichen Rechts mit eigener Dienstherrnfähigkeit ist trotz der damit einhergehenden Flexibilisierungsmöglichkeiten als Grundmodell nicht nur vorteilhaft. Mehr Freiheit bedeutet für die HAWs auch mehr Verantwortung, was die HAWs in ihrer täglichen Arbeit (Dienstherrneigenschaft, Bauherrneigenschaft, etc.) auch vor große Herausforderungen stellen wird, die nur mit zusätzlichem Personal mit entsprechenden Fachkenntnissen zu bewältigen sind. Es wäre nicht effizient, diese Fachkompetenzen regional an jeder Hochschule zusätzlich aufzubauen. Die Attraktivität des Professorenamtes ist nicht zuletzt mit dem Status der Professorinnen und Professoren als Beamte des Freistaates Bayern unmittelbar verknüpft. Die Arbeitgeberattraktivität des Freistaates Bayern zur Gewinnung der besten Köpfe für ein Professorenamt muss gerade für die HAWs erhalten bleiben.
  2. Die HAWs können Globalhaushalte auch führen, wenn das Hochschulpersonal Personal des Freistaates Bayern bleibt.
  3. Es ist zu begrüßen, wenn den HAWs folgende gesetzliche Aufgaben als Kernaufgaben zugewiesen sind:
    • Lehre
    • angewandte Forschung
    • Weiterbildung
    • Transfer
  4. Mit der Aufgabenzuweisung muss weiterhin eine auskömmliche staatliche Grundfinanzierung verbunden sein. Der Ansatz der „unternehmerischen Hochschule“ wird als strukturelle Neuausrichtung nicht befürwortet, weil die Freiheit von Forschung und Lehre in einer „unternehmerischen Hochschule“ zwangsläufig einen anderen Stellenwert haben wird. Die HAWs sollten sich zu ihrem Engagement bei der Einwerbung von Drittmitteln, der Auflegung gebührenfinanzierter Weiterbildungsstudiengänge (Stichwort: Lebenslanges Lernen) und zum Wissenstransfer in die Praxis ausdrücklich bekennen.
  5. Die erweiterte Hochschulleitung sollte gestärkt werden, indem sie unter Einbeziehung der Dekaninnen und Dekane über die interne Mittelverteilung beschließt.
  6. Zur Gewährleistung der Lehr- und Wissenschaftsfreiheit ist sicherzustellen, dass das individuelle Lehrdeputat der Professorinnen und Professoren von Gesetzes wegen gedeckelt ist. Hierfür spricht die Fürsorgepflicht des Freistaates Bayern als Dienstherrn. Arbeitszeitrechtliche Vorgaben müssen auch für das wissenschaftliche Personal gelten, trotz aller Flexibilisierungsbestrebungen.
  7. Die Verleihung des Promotionsrechts an einzelne forschungsstarke Einheiten an HAWs ist unter folgenden Voraussetzungen begrüßenswert: Die Frage der Forschungsstärke darf nicht nur an Drittmittelzahlen festgemacht werden. Eine zentrale Promotionsordnung für Promovierende der HAWs sowie die Verbundpromotion innerhalb von starken HAW- Forschungsclustern könnte eine Lösung zur Vermeidung eines Promotionswettbewerbs in der Familie der bayerischen HAWs sein.
  8. Die Senatsvorsitzenden stehen dem Konzept, wonach Professorinnen und Professoren auch den Arbeitnehmerstatus wählen können, um auch unternehmerisch tätig zu sein, zurückhaltend gegenüber. Der damit verfolgte Ansatz der Einnahme der Funktion von Gründerzentren durch die HAWs erscheint auf den ersten Blick nur vorteilhaft, weil damit auch der Wissenschaftstransfergedanke scheinbar ideal umgesetzt wird. Daraus resultierende Aspekte, namentlich fehlende zeitliche Kapazitäten für die akademische Selbstverwaltung und Wettbewerbsverzerrungen am Markt, sollten bei der Einführung dieser neuen Personalkategorie genau bedacht werden. Auch sollte gesehen werden, dass die Gewährung von Gründungsfreisemestern für ein Jahr die Möglichkeit der Vergabe von Forschungs- und Praxissemestern unmittelbar reduziert und damit auch Einfluss auf die Forschungsmöglichkeiten der Hochschule und das Sammeln bzw. Auffrischen von Praxiserfahrung durch Professorinnen und Professoren hat.
  9. Zur einheitlichen Qualitätssicherung ist es nicht zielführend, wenn jede Hochschule ein für sie passgenaues Berufungskonzept in einer genehmigungspflichtigen Berufungssatzung regeln kann. Das Konzept birgt die Gefahr der Entwertung des Professorenamtes in sich. Die Berufungsvoraussetzungen können von Hochschule zu Hochschule unterschiedlich sein. Damit soll im Gegensatz zu den Bildungsabschlüssen wie Meister, Master und Bachelor für das Professorenamt keine gesetzliche Normierung mehr gelten. Die Qualifikation der Professorinnen und Professoren wird dadurch nebulös und nicht mehr vergleichbar. Das Konzept setzt Anreize, die Berufungsanforderungen zu verändern, wenn auf dem Arbeitsmarkt die erforderlichen wissenschaftlichen Nachwuchskräfte nicht vorhanden sind. Der Ruf der HAWs lebt von der Qualität ihrer Professorinnen und Professoren. Der bayerische Gesetzgeber sollte den Qualitätsstandard für das Professorenamt und den Weg in das Professorenamt im Gesetz regeln, um dem Stellenwert des Professorenamtes gerecht zu werden.
  10. Auch das angedachte Findungsverfahren, die Besetzung einer Professur ohne öffentliche Ausschreibung durch gezielte Ansprache geeigneter Personen mit einem Berufungsangebot, darf mit Blick auf Art. 33 Abs. 2 GG nicht weiterverfolgt werden. Der Hochschule bleibt es nicht verwehrt, trotz Ausschreibung der Professur geeignete Personen aufzufordern, sich zu bewerben. Das vom Eckpunktepapier vorgeschlagene Findungsverfahren widerspricht dem Grundsatz der transparenten Besetzung einer Professur unter Beachtung des Grundsatzes der Bestenauslese und birgt die Gefahr in sich, Personen bei der Besetzung von Professuren rechtswidrig zu begünstigen.
  11. HAW-Nachwuchsprofessuren bedeuten einen Paradigmenwechsel und zumindest eine Aufweichung des Markenkerns der HAWs. Professorinnen und Professoren an HAWs müssen, wie bisher auch, eine Berufspraxis außerhalb des Hochschulbereichs in verantwortungsvoller Position ausgeübt haben. Dies hat die HAWs zu anerkannten Hochschulen mit Anwendungsbezug deshalb gemacht, weil ihre Professorinnen und Professoren einen „Außenblick“ als Qualitätsstandard in die HAWs einbringen. Diesen Qualitätsstandard darf man über die HAW-Nachwuchsprofessur nicht aufweichen.

Wir Senatsvorsitzende freuen uns sehr, wenn Sie unsere vorgetragenen Aspekte in Ihre Überlegungen zur Novellierung des Hochschulrechts mit einbeziehen. Uns ist sehr daran gelegen, den Prozess der Novellierung des Hochschulrechts konstruktiv mit Argumenten und Erfahrungen aus der täglichen Hochschulpraxis zu begleiten. Daher finden Sie den Entwurf eines Artikels 23 beigefügt, der die Zusammensetzung des Senats und seine Aufgabenbeschreibung für die angedachte Hochschulrechtsnovellierung aus unserer Sicht als erste Diskussionsgrundlage wiedergibt. Bitte beachten Sie in diesem Zusammenhang, dass die in diesem Papier vorgetragenen Argumente unter den Senatsvorsitzenden der HAWs abgestimmt sind und nicht zwingend die Meinung einzelner Senatsmitglieder der bayerischen HAWs widerspiegeln.

Gezeichnet:

Prof. Dr. Horst Rönnebeck, Senatsvorsitzender der Technischen Hochschule Amberg-Weiden

Prof. Dr. Tim Pidun, Senatsvorsitzender der Hochschule Ansbach

Prof. Dr. Ralph Hirdina, Senatsvorsitzender der Technischen Hochschule Aschaffenburg

Prof. Dr. Jens Müller, Senatsvorsitzender der Hochschule Augsburg

Prof. Dr. Egbert Kessler, Senatsvorsitzender der Hochschule Coburg

Prof. Dr. Martina Heigl-Murauer, Senatsvorsitzende der Technischen Hochschule Deggendorf

Prof. Dr. Hans Schmidt, Senatsvorsitzender der Hochschule Hof

Prof. Dr. Jörg Bienert, Senatsvorsitzender der Technischen Hochschule Ingolstadt

Prof. Dr. Andreas Stiegelmeyr, Senatsvorsitzender der Hochschule Kempten

Prof. Dr. Volker Weinbrenner, Senatsvorsitzender der Hochschule Landshut

Prof. Dr. Wolfgang Habelt, Senatsvorsitzender der Hochschule München

Prof. Dr. Rupert Bardens, Senatsvorsitzender der Hochschule Neu-Ulm

Prof. Dr. Reinhard Janker, Senatsvorsitzender der Technischen Hochschule Nürnberg

Prof. Dr. Birgit Rösel, Senatsvorsitzende der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg

Prof. Dr. Benno Eierle, Senatsvorsitzender der Technischen Hochschule Rosenheim

Prof. Dr. Sabine Grüner-Lempart, Senatsvorsitzende der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf

Prof. Dr. Winfried Wilke, Senatsvorsitzender der Hochschule Würzburg-Schweinfurt


Diskussionsgrundlage:

Art. 23 Senat

(1) Dem Senat gehören unter Wahrung der Mehrheit der Professorinnen und Professoren an:

  • mindestens sechs Vertreterinnen und Vertreter der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer,
  • eine Vertretung der wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
  • eine Vertretung der nicht wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
  • zwei Vertreter oder Vertreterinnen der Studierenden und
  • die oder der Frauenbeauftragte bzw. die oder der Gleichstellungsbeauftragte der Hochschule.

(2) Der Senat agiert als wissenschaftlicher Rat und entscheidet bei akademischen Fragestellungen:

  • er beschließt die von der Hochschule zu erlassenden Rechtsvorschriften und Rahmenordnungen (Satzungen), einschließlich a) aller Studien- und Prüfungsordnungen zur Einrichtung, Änderung und Aufhebung von Studiengängen und Zertifikaten sowie b) Satzungen zur Gründung und Einrichtung von Forschungszentren und Forschungsinstituten,
  • er wirkt zur Qualitätssicherung an der Entwicklung einer Berufungssatzung unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben zur Besetzung von Professuren mit und entscheidet zu allen Berufungsverfahren,
  • er wirkt an der Entwicklung von Qualitätsstandards zur Sicherung und Fortentwicklung der innovativen Lehre mit,
  • er gibt Empfehlungen zum Wirtschaftsplan und zu den Grundsätzen der Verteilung der Stellen und Mittel,
  • er entscheidet über die Einrichtung von Institutionen zu Forschungszwecken, beispielsweise von Forschungszentren und -instituten sowie An-Instituten,
  • er wirkt an der Entwicklung von Qualitätsstandards zur Forschung mit, einschließlich der akademischen Nachwuchsförderung, unter anderem im Rahmen einer Forschungssatzung,
  • er beschließt sowohl die Bestellung von Honorarprofessoren und Honorarprofessorinnen als auch über die Erteilung der Würde eines Ehrensenators oder einer Ehrensenatorin oder eines Ehrenmitglieds der Hochschule,
  • er wirkt in sonstigen Angelegenheiten mit, soweit dies durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes vorgesehen ist.

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